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12.03.2018

"Unterm Strich zählt nur der Mensch"

Ingolstadt (DK) Über 100 Frauen sind am Samstag zum diesjährigen Frühstücksdialog der Frauen-Union Ingolstadt (FU) gekommen. Sie hörten ein unterhaltsames und vor allem mutmachendes Gespräch mit der bayerischen Staatsministerin Ulrike Scharf und der Schauspielerin Gloria Gray. 

Als "kleines, schmuckes Beiwerk", wie Gastgeber Wolfgang Gebhard (Volksbank-Raiffeisenbank Bayern Mitte eG) sie bezeichnete, war sogar eine Handvoll Männer vertreten. Sie empfahlen sich anlässlich des Internationalen Frauentags als Unterstützer des weiblichen Geschlechts im Kampf um Gleichberechtigung - allen voran Bundestagsabgeordneter Reinhard Brandl, der zum zehnten Mal einen politischen Gruß zum Frühstücksdialog überbrachte. "Ich bemühe mich nicht nur heute, sondern das ganze Jahr über um Frauen", sagte er augenzwinkernd in Richtung FU-Kreisvorsitzende Derya Basal, die zuvor verlauten ließ, Frauen könnten sich in dieser Sache kaum auf Männer verlassen, sondern müssten die Dinge selbst in die Hand nehmen.

Während Brandl für seine Aussage einige Lacher abstaubte, ging es in Basals Ansprache ernster zu. Denn obwohl Frauen sich vor 100 Jahren das passive und aktive Wahlrecht erkämpft hätten, seien sie heute immer noch Gewalt und Sexismus ausgesetzt sowie in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert. "Das deutsche Parlament ist so männlich wie seit 20 Jahren nicht mehr, Rechtspopulisten wollen uns Frauen wieder in enge Schranken weisen", warf sie verärgert in den Raum. "Ist das wirklich das, für das unsere Mütter und Großmütter gekämpft haben" Basal rief dazu auf, zusammenzuhalten, um "ganz oben mitspielen zu können". Ihre Forderung: "Lasst uns Zeichen setzen."

Dafür hatte die FU zwei Gäste eingeladen, die Brandl als Vorbilder bezeichnete: Ulrike Scharf, Landtagsabgeordnete und bayerische Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, sowie Gloria Gray, die als Schauspielerin, Sängerin, Unternehmerin, Model, Autorin und Entertainerin unterwegs ist. Zwei Frauen mit völlig unterschiedlichen Lebensläufen, die aber doch so einige Gemeinsamkeiten fanden, wie sie während des Gesprächs feststellten. "Ich könnte mir vorstellen, mal eine Woche in die Rolle einer Schauspielerin zu schlüpfen", sagte Scharf am Ende sogar.

So ging es in der Diskussionsrunde insbesondere um die persönlichen Erfahrungen der beiden Gäste. Die Staatsministerin beispielsweise sah den Grundstein für ihre Politikerkarriere schon in ihrer Kindheit gesetzt: "Ich hatte drei Brüder, und trotzdem habe ich scheinbar das Kommando geführt", gab sie die Erinnerungen ihrer Mutter wieder. Es sei Charaktersache, ob ein Mensch in der Öffentlichkeit stehen und Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen will - das habe sie bereits als Klassen- beziehungsweise Schulsprecherin gemerkt, aber auch als Sprössling einer Unternehmerfamilie. "Mein Vater sagte: ,Ihr könnt alles von uns haben, aber dafür müsst ihr mithelfen.' Das hat mich geprägt."

Ähnliches berichtete Gray, die im Körper "eines männlichen Babys" - "die Frau, die einen Mann gebärt, möchte ich sehen", sagte sie lachend auf die Vorstellung der Moderatorin Clarissa Tatschner hin, sie sei "als Mann geboren" - zur Welt kam, sich vor 30 Jahren aber umoperieren ließ. "Ich bin froh über meine Wurzeln, die haben mich geerdet", betonte die Schauspielerin, die in einer Metzgerfamilie in Zwiesel aufwuchs. "Ich habe im Familienunternehmen angepackt und war stark, meine Mutter hat mich vorbereitet aufs Leben."

Das Thema Sexualität entwickelte sich zu einem Schwerpunkt des Gesprächs, in dem Gray aus ihrem bewegten Leben erzählte und Scharf um mehr Akzeptanz warb. Zwar ist laut Gray in Deutschland viel passiert, was Transgender angehe. "Aber das Thema Geschlechtsidentität ist breitgefächert, es gibt so viel zwischen Schwarz und Weiß", sagte die Schauspielerin, die betonte: "Unter dem Strich zählt eh nur eines, und das ist der Mensch. Wer ein bisserl Hirn hat, erkennt das auch." Ständig über ihre eigene Sexualität zu sprechen, langweile sie deshalb. "Ich bin längst angekommen und lebe mein Leben so, wie ich es immer wollte."

Scharf machte sich indes für Aufklärungsarbeit stark, die in diesem Zusammenhang weiterhin notwendig sei. "Das Frauenfrühstück ist ein gutes Beispiel, um für Akzeptanz zu werben", sagte sie auf die Frage hin, was die Politik tun könnte. Dabei helfe, wenn sich jemand wie Gray "mit großem Selbstbewusstsein und viel Mut" als Vorbild zur Verfügung stellt. Eine Diskussion, wie sie kürzlich um die Begriffe "Vaterland" und "Brüderlichkeit" in der Nationalhymne geführt wurde, sei dagegen wenig dienlich. "Man kann's auch übertreiben", bestätigte Gray.

Die Gleichstellung der Frau wurde am Ende noch einmal angerissen, als Scharf ihren Arbeits- und Familienalltag beschrieb. "Mein Fahrer hat einmal gesagt, Männer hätten mehr Zeit für Arbeit", erzählte die CSU-Politikerin. Ihre Vorgänger hätten laut dem Fahrer nie mal kurz bei der Reinigung vorbeigeschaut oder elterliche Telefongespräche geführt. "Das haben immer ihre Frauen erledigt." Dafür drückte Gray ihre Bewunderung aus: "Größter Respekt an alle Frauen, die Karriere und Familie unter einen Hut bringen."

aktualisiert von Markus Ehm, 12.03.2018, 10:54 Uhr